Du sitzt aus. Sofort verspannt sich dein Pferd und hebt sich raus. Du merkst, wie deine Hände immer unruhiger werden. Der Pferderücken stößt dich eher ab, als dass er dich mitnimmt. Deine Oberschenkel fangen an zu klemmen.
Möglicherweise nimmst du vorher Aktivität raus, sodass dein Pferd mehr geht als dass es trabt. Aber das kann auch nicht die Lösung sein…
Wir wünschen uns, dass unser Pferd auch beim Aussitzen locker und ausdrucksstark unter uns trabt. Und dass wir dabei elastisch im Sattel mitschwingen können und trotzdem das Gefühl haben, ruhig zu sitzen. Diese Reitqualität erscheint dir aber gerade so weit entfernt wie Urlaub auf dem Mond.
Das muss nicht so bleiben. In diesem Blog erfährst du:
- Warum aussitzen nicht zu jeder Reiteinheit dazugehören muss
- Wann der richtige Moment ist, um mit dem Aussitzen zu beginnen
- Wie du das Aussitzen so entwickeln kannst, dass dein Pferd locker und schwungvoll weiter trabt und du elastisch schwingend auf ihm sitzt. Ohne dich festzumachen.
Als ich Reiten gelernt habe, hatte mein Reitunterricht einen einheitlichen Aufbau: Die ersten 15-20 Minuten wurde in der Lösungsphase leichtgetrabt. Den Rest der Stunde ausgesessen. Außer vielleicht beim Zügel aus der Hand kauen lassen. Das hinzubekommen, war Ehrensache. Daran, wie sich mein unbeholfenes Gehoppel und Geklemme für das Pferd angefühlt hat, habe ich damals weniger gedacht. Auch heute sehe ich häufig, dass Reiter immer nach einer gewissen Zeit aussitzen, unabhängig davon, ob das Pferd dadurch besser läuft oder nicht.
Natürlich ist Aussitzen wichtig: Du kannst dein Pferd besser erfühlen, präziser einwirken und in Übergängen und der Versammlung besser stabilisieren.
Trotzdem finde ich im Training mit meinen Reitschülern ein individuelles Vorgehen besser. Schließlich sind nicht alle Reiter körperlich so fit, um für das Pferd 20 bis 30 Minuten ein hilfreicher Rucksack zu sein. Und nicht alle Freizeitpferde haben direkt die nötige Ausbildung, um einen Reiter beim Aussitzen gut mitzunehmen.
Wenn ihr im Trab noch damit zu tun habt, dass euer Pferd schwingend über den Rücken vorwärts geht und dabei einen vertrauensvollen Kontakt zur Reiterhand hat, ist es für das Aussitzen noch zu früh. Auch wenn dein Pferd heute im kalten Wind stand und sich ein bisschen festhält, kann es sinnvoll sein, es nur im Leichttraben ein bisschen in Dehnung zu reiten. Nicht auf jedem Trainingslevel und in jeder Einheit muss Aussitzen automatisch dazu gehören.
Damit Aussitzen einen Mehrwert für eure Trainingseinheit bringt, sollten die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein.
Dein Pferd:
- geht beim Leichttraben über den Rücken
- reagiert gut auf die Wade
- hat einen vertrauensvollen Zügelkontakt
Du solltest bereit sein, auch ohne Pferd an deiner “Durchlässigkeit” zu arbeiten. Du möchtest ja mit der Bewegung deines Pferdes schwingen. Das geht nur, wenn du locker bist. Dafür kann es notwendig sein, erstmal ohne Pferd mobilisierende Übungen zu machen. Anregungen, wie du das in deinem Alltag integrieren kannst, bekommst du in meinem Beitrag „Wie du durch gute Gewohnheiten im Alltag dein Reiten positiv beeinflusst“.
Mit diesem Übungsablauf kannst du dein Aussitzen prima entwickeln und dabei den Schwung deines Pferdes erhalten:
- Du trabst “high quality” leicht: Dein Pferd ist aktiv, geht schön über den Rücken und hat einen guten Kontakt zu deiner Hand.
- Das ist der Moment, in dem du anfängst auszusitzen. Achte darauf, dass du weiter atmest (und nicht die Luft anhältst, wenn du sitzen bleibst).
- Du bleibst so lange sitzen, bis du merkst, dass du oder dein Pferd anfangen sich festzumachen. Dann trabst du wieder leicht.
- Im Leichttraben stellst du wieder high quality her. Und den Ablauf wieder von vorn. Die Phasen werden ganz automatisch immer länger werden. In meinem Artikel zu “Köpfchen statt Kilometer” erfährst du mehr, wie du dir für jeden Durchlauf etwas bestimmtes vornehmen kannst, um dich noch schneller zu verbessern.
Der Vorteil ist, dass du immer wieder die bestmögliche Bewegungsqualität herstellen kannst.
Wenn du versuchst, länger aussitzen, obwohl du merkst, dass du fest wirst oder dein Pferd nicht mehr so gut vorwärts geht oder unruhig in der Anlehnung wird, klemmst du dich in den Sattel. Das ist das Aus für eine gemeinsame schwungvolle Bewegung.
Natürlich brauchen wir eine positive Anspannung um gut auszusitzen (und gut zu reiten). Sie darf nur nicht zur Verspannung werden. Sind wir zu locker, würden wir wie ein nasser Sack vom Pferd fallen. Wie so oft beim Reiten suchen wir nach der goldenen Mitte.
Es gibt noch viele hilfreiche Übungen und Equipment, wie z.B. Franklinbälle, die euch auf eurem Weg unterstützen können. Viele Ideen findest du in dem Sitzkurs von Sibylle Wiemer bei Wehorse.
(Mit dem Coupon-Code „HORSEMINDSET2020“ bekommst du übrigens 40% Rabatt auf ein wehorse-Jahresabo.)
In den Büchern von Sally Swift kannst du tolle Anregungen zu hilfreichen inneren Bildern finden. In denen von Eckart Meyners sind großartige Übungen, die du leicht nachmachen kannst, um durchlässiger zu werden.
Ein paar innere Bilder, die ich gerne benutze, um das Aussitzen zu erleichtern:
- Stell dir vor, die Bewegung des Pferdes ist ist wie eine Welle, die von der Hinterhand kommt und deine Wirbelsäule hinaufsteigt. Bei deinem Kopf angekommen, verlassen sie durch ein kleines Mitnicken deinen Körper.
- Wenn du anfängst, auszusitzen: Stell dir vor, du steigst auf einen Schlitten, der schon gleitet. Du möchtest seine Fahrt nicht unterbrechen und lässt dich mitnehmen.
- Wenn du fest in deinen Schultern wirst: Stell dir vor, dass du deinen Schwerpunkt willentlich beeinflussen kannst. Wirst du fest, steigt er nach oben. dann schickst du ihn wieder nach unten ganz tief hinter und unterhalb deines Bauchnabels.
Ich hoffe, der Beitrag hat dir geholfen! Dann wäre ich dir sehr dankbar, wenn du ihn mit deinen echten und virtuellen Freunden teilst.
Ride and smile 🐴😊
Herzlichen Dank für die Fotos an Herzenshund-Fotografie