Kennst du das auch? Du versuchst, dich im Trab gerade hinzusetzen. Sofort merkst du, wie dein Körper steif wird und du vom Pferderücken weggestoßen wirst. Statt locker mit ihm zu schwingen, holperst du wie ein nasser Sack im Sattel umher.

Und wenn du dann versuchst, locker zu lassen fühlst dich wie ein im Sattel platzierter  Wackelpudding.

Es ist klar, dass du verunsichert bist, wieviel Spannung dein Sitz braucht. Schließlich möchtest du ein guter Passagier und im besten Fall ein hilfreicher Personal Trainer für dein Pferd sein.

In diesem Beitrag erfährst du,

  • welche Körperspannung du brauchst, um dein Pferd bestmöglich zu unterstützen
  • wie du herausfinden kannst, ob du eher dazu neigst, dich zu fest zu machen oder zu locker zu sein
  • welchen Einfluss deine Emotionen auf die Durchlässigkeit deines Körpers haben

In meinen letzten Beiträgen ging es viel um die Ausrichtung deines Körpers auf dem Pferd und dazugehörige Bewegungsgefühle. Das Thema des heutigen Beitrags ist die richtige Körperspannung dabei. Sie ist quasi die Form, in der all die anderen wichtigen Zutaten zu einem guten Reitersitz zusammenkommen. 

Drei Zustände, in denen sich dein Körper befinden kann:

  1. Die Entspannung. Stell dir vor, du liegst auf dem Sofa, deine Muskeln sind entspannt und dein Körper wird nur durch die Rückenlehne in halbaufrechter Position gehalten.. Auf dem Pferderücken führt ausschließliche Entspannung aber dazu, dass du auf dem Pferd hängst und in der nächsten Kurve wie ein nasser Sack runterrutschen würdest. Nur entspannt zu sein kann also nicht die Lösung sein. Wir brauchen eine positive Anspannung, um uns auf dem Pferd zu stabilisieren.
  1. Die Verspannung. Das andere Extrem ist die Verspannung: Stell dir vor, du sitzt starr im Sattel und alle deine Muskeln sind angespannt. Zu viel Anspannung im Sattel verhindert, dass du die Bewegung deines Pferdes zulassen kannst. Bewegt werden und mitschwingen sind nicht mehr möglich. 
  1. Die positive Anspannung. In der goldenen Mitte befindet sich die positiven Anspannung. In ihr sitzt du aufrecht auf dem Pferd, bist aber noch in der Lage, dich von deinem Pferd bewegen zu lassen, seine Bewegungen zu erspüren UND Hilfen zu geben. In diesem Zustand ist dein Körper aufgerichtet, ohne fest zu werden. Das ist der Zustand, den wir als Reiter anstreben sollten.

Eine liebe Kollegin von mir sagte immer, dass Reiten noch komplizierter als Tanzen sei: Einerseits sind wir wie die Frau, die wie im Tanz vom Mann bewegt wird. Schließlich werden wir auf dem Pferd von ihm bewegt. Andererseits sind wir gleichzeitig der Mann, der führt, weil wir Richtung, Gangart und Lektionen auslösen. Ein ganz schöner Drahtseilakt, den wir uns da als Hobby ausgesucht haben…

Mich fasziniert dieser Aspekt beim Reiten allerdings besonders.  Und, nüchtern betrachtet finden wir hier die Lösung des großen “Reitmysteriums”: Mit dem Pferd zu verschmelzen und sich gemeinsam zu bewegen. Einerseits müssen wir wissen, was zu tun ist. Andererseits müssen wir die Bewegung zulassen. Mehr zu dem Thema der wechselseitigen Beeinflussung kannst du in diesem Beitrag lesen: „Wie sag‘ ich es meinem Pferd?“

Finde heraus, zu welchem Typ du gehörst und wie du zu einer positiven Anspannung im Sattel findest:

Wichtig vorweg: Niemand gehört nur zu einem Typ und verhält sich immer nur auf eine Art und Weise. Auch in einem Menschen kann es gleichzeitig große Lockerheit und Anspannung geben. Und nur entspannt sind wir nie. Sonst könnten wir nicht stehen und atmen. Trotzdem hilft es, sich grob einmal Gedanken zu machen, welche Aussagen am ehesten auf dich zutreffen, damit du weißt, von welcher Seite du dich beim Reiten der goldenen Mitte, der positiven Anspannung, näherst.

Die Coachpotato

Wenn du z.B. an einer Schaufensterscheibe vorbeigehst, bist du erschrocken, wie du dich hängen lässt? Runde Schultern, wenn du stehst häufig ein Bein eingeknickt? Gerade zu sitzen oder gerade zu stehen strengt dich an?

Beim Reiten fällt es dir z.B. schwer

  • aufrecht auf dem Pferd zu sitzen
  • in den Übergängen nicht nach vorn zu kippen
  • am Punkt anzugaloppieren

Vorstellung, die beim Reiten helfen, an der richtige Stelle eine positive Spannung aufzubauen:

  • Wenn du im Sattel sitzt, spür deine Sitzbeinhöcker rechts und links der Pferdewirbelsäule. Wenn du Schwierigkeiten hast, sie zu ertasten, setz dich kurz auf deine Hände, dann merkst du sie sofort. Und dann richtest du dich von unten nach oben groß auf, ein bissche so als ob du mit den Sitzbeinhöckern gegen den Sattel drücken willst. Wichtig ist, dass du dabei die Gesäß- und Oberschenkelmuskulatur nicht verspannst. Das Ganze kannst du auch prima zuhause auf einem Küchenstuhl (am Besten mit einer harte Oberfläche) üben.
  • Wenn bei dir auch Unsicherheit dazu beiträgt, dass du schnell in dich zusammensinkst, kann es dir helfen, mit dem Grundgefühl “Stolz wie eine Königin” auf dem Pferd zu sitzen.
  • Reiten im leichten Sitz. Für den leichten Sitz brauchst du eine positive Anspannung, sonst funktioniert er nicht. Also zwischendurch einfach mal Bügel kurz und los!

Am besten suchst du dir einen Sport dazu, der dir hilft ein gesunde und gleichmäßige Körperspannung aufzubauen, z.B. Yoga oder Pilates. Aber auch joggen kann hilfreich sein.

Das “Steiftier”

Du stehst immer gerade. Dein Schritt ist energisch. Anstrengungen zu halten fällt dir leicht. Schwierig wird es, wenn du dich mal “hängen lassen” sollst. Und auch bei Dehnübungen zwirbelt es ganz gewaltig…

Beim Reiten fällt es dir z.B. schwer 

  • auszusitzen
  • ohne Sattel zu reiten
  • Mit dem Becken nicht zu schieben

Lösungsstrategien können sein: 

  • Dehnübungen
  • Scherze (wobei Humor eigentlich immer hilft, nicht nur Menschen mit einer hohen Körperspannung)
  • Die Vorstellung, du hättest vor dem Reiten schon einen Sekt getrunken
  • Musik. Entweder beim Reiten oder selber summen

Für beide Typen kann es hilfreich sein, mit Franklinbällen zu arbeiten. Außerdem kannst du mit verschiedenen Spannungszuständen herumexperimentieren. Du probierst einfach mal sämtliche Zustände von ganz locker bis ganz militärisch hingesetzt durch. Unser toller Körper überarbeitet seine gewohnte Bewegung, wenn er unterschiedliche Angebote bekommt und sucht nach einer neuen Lösung.

Ich hoffe, ich konnte dir mit diesem Blog einen Einblick in die faszinierende Welt der Spannungszustände geben. Auch ohne Pferd passiert gerade im Bereich der Faszienforschung unheimlich viel. Ich konnte dieses Thema in diesem Blog nur anreißen, deswegen werde ich in den nächsten Beiträgen noch konkreter darauf eingehen. Ich wünsche dir viel Spaß dabei, dich und deine unterschiedlichen An- und Entspannungszustände besser zu beobachten, kennen zu lernen und zu beeinflussen! 

Mehr zu mir als Ausbilderin findest du unter kristina-janssen.com

Für die Fotos bedanke ich mich herzlich bei Herzenshund Fotografie