Sobald du beim Reiten die Gerte in die Hand nimmst, wird dein Pferd schneller und spanniger? Ohne Gerte sprüht dein Pferd aber leider nicht zwangsläufig vor Esprit?

Viele Reiter greifen deswegen zu Sporen. 

Diese sind in der Ausbildung aber für die Verfeinerung der seitwärtsweisenden und versammelnden Hilfen gedacht und nicht als Pferdebeschleuniger. Davon ab brauchst du ein ruhiges Bein, um sie bewusst zu nutzen und dein Pferd nicht aus Versehen zu pieksen. 

Manche Reiter nehmen die Gerte auch nur kurz dazu, damit das Pferd “an” ist und legen sie dann sofort wieder weg. Auch das ist keine Lösung. Denn dabei lernt das Pferd, dass es die Gerte durch Aufregung wieder los wird: “Wenn ich tippelig werde, wenn das gruselige Ding dazu kommt, legt mein Reiter sie wieder weg.” Die Aufregung wird dann als richtige Lösung abgespeichert. Mit jedem Mal, dass du das so macht, verankerst du die Lernerfahrung Gerte = Aufregung etwas mehr. 

Pferde speichern immer das Verhalten als richtig ab, bei dem der Mensch (oder auch andere Pferde) mit ihrer Einwirkung aufhören. Deswegen kommt in der Ausbildung dem Nachgeben im richtigen Moment auch so eine Schlüsselrolle zu. 

In diesem Beitrag erfährst du, wie du deinem Pferd die Angst vor der Gerte nimmst, damit du sie beim Reiten als Hilfe nutzen kannst.

Voraussetzung hierfür ist, dass du dein Pferd am Boden mit der Gerte abstreichen kannst und es dabei vollständig entspannt ist. Das bedeutet konkret:

  • der Kopf deines Pferdes bleibt tief, der Hals ist lang und entspannt, auch bei der ersten Gertenberührung
  • dein Pferd steht ruhig. Es weicht nicht aus, wenn du die Gerte einsetzt

Die Kopf-Hals-Position des Pferdes ist von entscheidender Bedeutung: Ist das Nervenkostüm deines Pferdes alarmiert, dass heisst im “Kampf- oder Fluchtmodus”, trägt es den Kopf sehr hoch. Es ist innerlich angespannt und schreckhafter.

In der tieferen Kopfhaltung ist sein Nervensystem auf soziales Miteinander, Entspannung und Kooperation eingestellt. 

Bleibt dein Pferd beim Abstreichen im Kampf- oder Fluchtmodus, kann es sein, dass es das Abstreichen erträgt und stehen bleibt. Innerlich ist es aber angespannt. Die Angst vor der Gerte verliert es so nicht.

Deswegen achte beim Berühren mit der Gerte am Boden und später auch beim Abstreichen immer darauf, dass dein Pferd den Kopf entspannt fallen lässt. Bekommt es das nicht hin, hilf ihm, in dem du es am Halfter etwas tiefer fragst. (Das sollte dein Pferd auch einzeln gelernt haben.) Nimmt das Pferd den Kopf tief, nimm die Gerte sofort aus dem Kontakt. So lernt es die Strategie, dass es etwas Unheimliches los wird, indem es sich entspannt. Das machst du solange, bis es den Kopf nicht mehr anhebt, wenn du es berührst. Dann kannst du mit dem Abstreichen weiter machen. 

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann es mit dem Reiten mit Gerte losgehen.

  1. Du fängst damit an, die Gerte mit Körperkontakt an die Schulter zu legen. (Wenn dein Pferd viel Angst hat, am besten mit Führperson und ggf erstmal im Stand.) Zeigt es Zeichen von Entspannung, nimmt z.B. den Kopf tiefer oder  atmet durch, nimmst du die Gerte wieder weg. 
  2. Klappt das gut, und du kannst die Gerte auch bewegen, machst du dasselbe mit der Hinterhand des Pferdes. Alles natürlich auf beiden Seiten.
So kannst du im Sattel anfangen. Die Gerte anlegen, bis sich dein Pferd entspannt. Zu Beginn genügen kleine Anzeichen, wie z.B. ein Durchatmen oder ein leichtes Absenken des Kopfes.

Ist dein Pferd im Stand gechillt mit der Gerte, kannst du im Schritt weitermachen:

  1. Gerte an die Schulter mit Kontakt zum Pferd. Dein Pferd wird vermutlich etwas eilig. Sobald es etwas ruhiger wird, nimmst du die Gerte weg. Auch hier lernt dein Pferd, dass es die Einwirkung, die ihm unangenehm ist, durch seine Entspannung zum Aufhören bringen kann. 
  2. Geht das vorne auf beiden Seiten gut, d.h. dein Pferd geht entspannt Schritt, egal ob du die Gerte im Körperkontakt oder nicht im Körperkontakt hast, machst du an der Hinterhand weiter.
Zeigt dein Pferd Zeichen von Entspannung, nimmst du die Gerte so aus dem Kontakt. Funktioniert das beidseitig vorn, machst du dieselbe Übung an der Hinterhand.

Wenn du mit der Gerte zu dem Pferdekörper Kontakt hältst, kannst du natürlich nicht so gefühlvoll mit der Hand einwirken. Fass also den Zügel so, dass du dein Pferd im Zweifelsfall mit dem Zügel abfangen kannst, aber sei nicht zu pingelig mit dem Zügelkontakt.

Mach nur so viel, wie ihr gut hinbekommt und leg die Gerte dann weg. Nichts ist ärgerlicher, als wenn du nach einer gelungenen und entspannten Schritt-Tour denkst, dass du sie jetzt doch mal im Trab mitnimmst und du dann ewig damit zu tun hast, dein Pferd wieder zu beruhigen.

Wenn dein Pferd bei dieser Übung entspannt bleibt, und normal weiterläuft, wenn du die Gerte in der Hand hast, kannst du anfangen, die Gerte tatsächlich zur unterstützung deiner treibenden Hilfen zu benutzen.

So kannst du im Schritt anfangen, deinem Pferd beizubringen, dass die Gerte nichts Schlimmes ist.

Wenn du die Einstellung deines Pferdes zur Gerte nachhaltig positiv verändern willst, ist es entscheidend, die Gerte immer wegzulegen, wenn dein Pferd einen verhältnismässig entspannten Moment hat. Nie, wenn es sehr aufgeregt ist. Gelingt es dir in der Gangart oder an der Stelle, an der du gerade bist nicht, geh einfach einen Schritt zurück.

Hier nochmal die 3 wichtigsten Punkte. die es zu beachten gilt, bevor du die Gerte mit aufs Pferd nimmst:

  1. Dein Pferd lässt sich am Boden tiefenentspannt abstreichen
  2. Wenn du mit der Gerte übst, hast du die innere Ruhe, es zu einem guten Ergebnis zu bringen. Was bedeutet, dass dein Pferd mit Gerte entpannt ist.
  3. Die Gerte immer in einem guten Moment weglegen, nie wenn das Pferd gerade mit ihr Stress hat.

Kennst du jemanden, mit einem ähnlichen Problem? Dann teile gern meinen Artikel.

Mehr über mich als Ausbilderin erfährst du unter kristina-janssen.com

Vielen Dank an Herzenshund-Fotografie für Fotos!