Warst du auch schonmal so frustriert, weil dein Pferd sich gegen den Zügelkontakt gewehrt hat und du einfach nicht wusstest, wieso? Dann könnte Handarbeit ein für dich interessant sein, weil du hier die Möglichkeit hast, dem Pferd die Zügelhilfe und auch die treibende Hilfe besser zu erklären.
Aber auch “nur” nach Alternativen, wie du dein Pferd sinnvoll gymnastizieren kannst, ohne auf ihm zu sitzen, hat Handarbeit eine Menge zu bieten: Die Geraderichtung kann deutlich verbessert werden und vom Boden aus hast du die Möglichkeit, Lektionen zu erarbeiten, die euch im Sattel schwer fallen.
In diesem Beitrag erfährst du:
- Wie Handarbeit dich in unterschiedlichen Ausbildungsphasen unterstützen kann
- Welche Voraussetzungen du und dein Pferd erfüllen müssen, um mit der Arbeit an der Hand zu starten
- Wie du deinem Pferd die Reiterhilfen vom Boden aus erklären kannst
- Wie Handarbeit euren Lernerfolg verbessern kann
Warum ist Handarbeit mit dem Pferd sinnvoll?
Handarbeit hat den großen Vorteil, dass du die Zügelverbindung deines Pferdes zur Hand, seine Anlehnung (auch wenn ich den Begriff nicht mag. Wieso erfährst du hier.) verbessern kannst. Sämtliche andere “Störfelder” werden ausgeschlossen. Z.B. dein Sitz, die Passform des Sattels etc.
Wenn du beim Reiten Anlehnungsprobleme hast, kann das natürlich auch viele andere Ursachen haben. Mehr dazu erfährst du in dem Artikel „Richtig reiten reicht nicht“.
Mich hat übrigens die riesige Aufrichtung meines damals 4jährigen Friesenhengstes Wiebe neben das Pferd geführt: Von oben war ich damals nicht imstande, mit ihm eine korrekte Dehnungshaltung zu erarbeiten. Am Boden haben wir das hinbekommen. Diesen Lernerfolg konnte ich dann auch mit den Sattel nehmen. Auch in seiner weiteren Ausbildung gab es immer wieder Situationen, bei denen ich aus dem Sattel zunächst nicht weiterkam, z.B. bei den Seitengängen und bei der Erarbeitung der Piaffe. Der vermeintliche Umweg über den Boden hat uns schneller zum Ziel geführt und mir als eingefleischte Reiterin gezeigt, was Handarbeit alles möglich machen kann. Eine Erfahrung, die sich in meiner Tätigkeit als Ausbilderin immer wieder bestätigt hat.
Foto: Swantje Schröder
Wann macht man Handarbeit mit dem Pferd?
Handarbeit kann in vielen Situationen den Ausbildungsweg mit dem Pferd bereichern. Hier die 6 wichtigsten:
1. Handarbeit beim Anreiten von Jungpferden
Besonders wichtig finde ich Arbeit an der Hand bei der Vorbereitung von Jungpferden auf das Gerittenwerden. Mit ihrer Hilfe kannst du eine kommunikative Brücke vom Boden in den Sattel bauen: Dein Jungpferd lernt die Zügelhilfen und die treibenden Hilfen von unten kennen, bevor du sie im Sattel nutzt.
Wenn es ohne Reitergewicht bereits gelernt hat, in Dehnung und seiner relativen Aufrichtung zu gehen, die Stellung und Paraden anzunehmen, gibt es viel weniger Missverständnisse, wenn du mit seiner Ausbildung unter dem Sattel beginnst.
2. Handarbeit bei Problemen mit dem Zügelkontakt
Wenn du Schwierigkeiten hast, dein Pferd an die Hilfen zu stellen oder es auf die Zügeleinwirkung abwehrend reagiert, kann Handarbeit dies auch für dein Reiten verbessern.
3. Handarbeit wenn dein Pferd nicht geritten werden kann
Dein Pferd hat einen Biss in der Sattellage. Oder es kann z.B. aus Altersgründen nicht mehr geritten werden. Dann bietet euch die Handarbeit eine gute Möglichkeit, dein Pferd abwechslungsreich zu gymnastizieren, ohne dass es einen Reiter tragen muss.
4. Handarbeit zur Schulung des Reiters
Bei der Arbeit an der Hand bekommst du die Möglichkeit, dich nur auf dein Gefühl zum Pferdemaul zu konzentrieren. Wenn du das grundsätzliche Handling beim Zügelaufnehmen einmal drauf hast, kann es helfen, wenn du dich nur auf den die Verbindung zum Pferdemaul konzentrieren kannst, ohne auf deinen Sitz achten zu müssen. Gleichzeitig kannst du die Veränderungen der Kopf-Hals-Position deines Pferdes beobachten.
5. Handarbeit zur Regeneration
Nach Verletzungspausen bietet Handarbeit die Möglichkeit, dein Pferd schonend wieder aufzubauen.
6. Als Selbstzweck
Einfach weil es Freude macht!
Wie unterscheidet sich Handarbeit von Bodenarbeit?
Bei der Bodenarbeit steht die Beziehung zu deinem Pferd und die Kommunikation mittels der Körpersprache im Vordergrund, der gymnastische Anspruch ist in der Regel weniger stark. Meist wird mit Halfter und Strick oder Knotenhalfter und Seil gearbeitet. Als zusätzliche Hilfe kannst du auch hier eine Gerte oder einen Stick mit dabei haben.
Bei der Handarbeit geht es auch um Kommunikation, aber mehr um diejenige über die Hilfen, insbesondere die Zügelhilfe. Es wird mit Trense gearbeitet und der gymnastische Aspekt des Trainings ist von größerer Bedeutung.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, bevor du mit der Handarbeit beginnen kannst?
Bodenarbeit ist die Voraussetzung für Handarbeit. Wenn folgende Dinge mit Halfter, Strick und Gerte gut funktionieren, hast du beste Voraussetzungen mit der Handarbeit zu beginnen.
- Dein Pferd lässt sich von beiden Seiten gut führen (viele Pferde kennen es nur, von links geführt zu werden)
- Es lässt sich in Wendungen gut führen, egal ob du innen oder außen bist.
Eine gute Übung hierzu ist das Führen einer großen Acht. Einmal bist du dabei innen, einmal außen.
- dein Pferd hält neben dir an, ohne am Strick zu ziehen
- dein Pferd lässt sich leicht rückwärtsrichten
- Dein Pferd bleibt beim Abstreichen mit der Gerte entspannt und lässt sich beim Führen auch schonmal damit treiben
Welche Ausrüstung braucht man für die Handarbeit mit dem Pferd?
Das Tolle an der Handarbeit ist, dass du alles, was du brauchst, schon da hast: Deine normale Trense, Handschuhe und eine Gerte sind alles, was du benötigst.
Ich komme in fast allen Fällen mit einer normalen Dressurgerte gut zurecht. Wenn dein Pferd aber sehr groß ist oder du im Verhältnis eher klein, kann eine etwas längere Gerte hilfreich sein, um die Hinterhand zu erreichen.
Wichtig ist, dass deine Trense korrekt verschnallt ist: Zwei Finger hochkant über dem Nasenrücken und ein gut passendes Gebiss. Schau gerne mal in dieses Video bei Instagram, dort erkläre ich noch einmal ganz genau, wie hoch das Gebiss verschnallt sein sollte.
Handarbeit kann dazu beitragen, die Zügelverbindung zwischen Pferdemaul und Reiterhand zu verbessern. Deswegen arbeite ich immer ohne Sperrriemen: Nur so kannst du beobachten, wie dein Pferd auf die Einwirkung am Zügel reagiert. Das geht nur, wenn dein Pferd auch die Reaktion in seinem Maul zeigen darf. Deswegen sollte das Maul unterhalb des Gebisses nicht mit einem Sperrriemen verschlossen sein. Ein Pferd, das die Zügelhilfe verstanden hat und körperlich in der Lage ist, diese umzusetzen, hat keinen Grund zu sperren.
Wie beginnt man mit der Handarbeit?
Detailliert kannst du in meinem Buch “An die Hand genommen. Erfolgreiche und motivierende Gymnastizierung vom Boden aus” den Einstieg in die Arbeit an der Hand und erste Übungsabläufe nachlesen. Aber ein paar Infos schon hier, damit du ausprobieren kannst, ob die Handarbeit etwas für dich und dein Pferd ist.
Wenn dein Pferd Zügel und Gebiss schon kennt, ist der Start ganz einfach: Wie im Sattel, bestimmt der äußere Zügel den Grad der Beizäumung und wie lang dein Pferd seinen Hals macht. Der innere Zügel ist für die Stellung deines Pferdes verantwortlich. Natürlich sollte es auch vertrauensvoll auf ein Treiben mit der Gerte reagieren. Hat dein Pferd Angst vor der Gerte, erfährst du in diesem Artikel mehr dazu, wie du aus dem Gruselstock einen verlängerten Arm machen kannst.
Erste Schritte an der Hand: Das Aufnehmen der Zügel
Auch wenn es dir am Anfang so kompliziert wie stricken lernen vorkommt, du wirst den Dreh, wie du die Zügel schnell und sicher aufnimmst, schnell raushaben! Je nach Ausbilder gibt es bei der Handarbeit viele unterschiedliche Arten, die Zügel aufzunehmen und zu halten. Ich zeige dir hier die, mit der ich die beste Erfahrung gemacht habe, schnell loszulegen.
Die Hand am Gebissring: Wenn du den Zeigefinger im Gebiss hast und mit den anderen Fingern den Zügel hältst, kannst du gefühlvoll einwirken und im Zweifelsfall auch schnell loslassen, und hast dein Pferd trotzdem noch am Zügel.
Die Hand am Zügel über dem Hals: Hier ist es am wichtigsten, dass du die Schlaufe so greifst, dass sie sich nicht um deine Hand zusammenziehen kann, sollte dein Pferd sich doch mal erschrecken. In dieser Hand nimmst du auch die Gerte mit dazu.
Sicherheitshinweise
- Die Zügel nie so aufnehmen, dass sich eine Schlaufe um deine Hand zusammenziehen kann, sollte dein Pferd einmal beiseite springen.
2. Die Zügel nie so lang durchhängen lassen, dass dein Pferd darauf treten kann.
Neben dem Pferd gehen mit Zügelverbindung
Versuch zuerst einmal nur, so neben deinem Pferd herzugehen und das Maul zu fühlen, ohne einzuwirken. Probier das ruhig von beiden Seiten aus. Für den Anfang gehst du auf beiden Händen innen. Weiterführende Übungen findest du in meinem Buch.
Die richtige Aktivität bei der Handarbeit
Es braucht ein bisschen Übung, um in der richtigen Geschwindigkeit zu laufen und dabei mit beiden Zügeln auf “Fühlung” zum Maul zu kommen.
Über deine Gehgeschwindigkeit bestimmst du die richtige Aktivität des Pferdes (deswegen sollte es auch schon bei Führübungen gelernt haben, mit dir mitzulaufen). Bremst dein Pferd (oder fachsprachlich tritt nicht mehr richtig ans Gebiss heran), merkst du das daran, dass es nicht mehr neben dir ist, sondern zurückbleibt. In diesem Moment musst du zunächst etwas mit deiner Stimmhilfe und wenn das nicht reicht mit der Gerte nachtreiben.
Das „An die Hilfen stellen“ bei der Handarbeit
Als nächstes versuchst du, dein Pferd auf dem Zirkel an die Hilfen zu stellen. Dazu gibst du am äußeren Zügel den Rahmen vor (also wie sehr dein Pferd die Nase in Richtung der Senkrechten nehmen soll) und am inneren Zügel stellst du es. Nimm den inneren Zügel nach oben an. So löst du ein Nachgeben des Pferdes im Maul aus. Das funktioniert so gut, weil Pferde im Maulwinkel reflexhaft mit einem Öffnen des Maules reagieren. Das kennst du bestimmt vom Auftrensen.
Von unten kannst du toll sehen, ob dein Pferd sich richtig stellt oder verwirft, in seiner relativen Aufrichtung ist oder schon in der absoluten. Mehr Informationen hierzu findest du in meinem Buch. Und wenn du – wie beim Autofahren – ab und zu einen Schulterblick machst, siehst du auch, was die Hinterhand deines Pferdes macht.
Es gibt noch eine Menge anderer Übungen, die nicht nur die Anlehnung deines Pferdes und eure Zügelverbindung verbessern, sondern sich auch positiv auf seine Geraderichtung auswirken.
Zu den Dingen, die du sehr gut an der Hand erarbeiten kannst, gehören:
- Dehnung und relative Aufrichtung (damit dein Pferd noch besser über den Rücken geht)
- Innen- und Außenstellung (sehr hilfreich für die Geraderichtung)
- Verbesserung von halben und ganzen Paraden
Wie du das alles mit deinem Pferd erarbeiten kannst (und auch die spannenden anatomischen Hintergundinformationen) erfährst du in meinem Buch! Du kannst das Buch natürlich auch in der Buchhandlung deines Vertrauens bestellen.
Ich hoffe, dich hat dieser Artikel neugierig gemacht, auch mal den Weg neben deinem Pferd auszuprobieren. Ich freu mich riesig, wenn du über meinen Instagram-Kanal @kristinamariajanssen oder über meine Facebook-Seite mit mir in Kontakt bleibst. Um über Neuigkeiten informiert zu bleiben, trag dich gern in meine Email-Liste ein!
Für die tollen Fotos bedanke ich mich ganz herzlich bei Herzenshund-Fotografie. Mehr zu mir als Ausbilderin findest du auf meiner Webseite.