Beim Meeting heute hast du dich sehr über deinen Chef geärgert. Das angespannte Stimmung begleitet dich den ganzen Tag. Als du dich am Abend auf dein Pferd setzt, erwartet dich statt der erhofften Entspannung noch mehr Frust: Dein Pferd spürt deine Gereiztheit und läuft angespannt und unzufrieden.
An den meisten Tagen reicht die Anwesenheit beim Pferd und die Konzentration auf dein Reiten aus, um ganz in den gegenwärtigen Moment zu kommen und den Alltag hinter sich zu lassen. Umso frustrierender, wenn das nicht funktioniert und die negativen Ereignisse des Tages uns sogar auf dem Pferderücken einholen.
Und das ist schade. Für uns, weil wir keine harmonische Zeit mit unserem Pferd verbringen. Vor allem aber für dein Pferd, das unserer Stimmung ausgesetzt ist und sich nicht aussuchen kann, ob es mit uns Zeit verbringen will oder nicht. Allein deswegen sollten wir uns bemühen, den Kopf bereits auf dem Weg zum Pferd frei zu bekommen.
Dieser Beitrag hilft dir,
- wenn es großen Einfluss auf dein Reiten hat, ob dein bisheriger Tag gut oder schlecht war.
- wenn es dir schwer fällt, dich voll auf die Zeit bei deinem Pferd einzulassen.
- wenn du deine Fähigkeit verbessern willst, dich ganz auf dein Pferd zu konzentrieren.
- wenn du noch fokussierter Reiten möchtest.
Wahrscheinlich liebst du an deiner Zeit mit deinem Pferd besonders, dass du mit deinem Kopf eine komplette Auszeit erlebst, wenn du bei deinem Pferd bist. Oder spätestens, wenn du reitest. Wenig bringt einen meiner Meinung nach so derartig in den gegenwärtigen Moment wie das Dressurreiten.
Was nimmst du alles mit auf den Pferderücken?
Für dich und dein Pferd ist es wichtig, einmal die Probleme loszulassen. Besonders wenn du ein engagierter Mensch bist, dem es wichtig ist, einen guten Job zu machen, kann es in Phasen, in denen viel bei dir passiert, schon mal schwer fallen, dich wirklich ganz auf eine Sache, in diesem Fall das Reiten, einzulassen.
Aber selbst wenn es dir vom Kopf her gelingt, die Ereignisse des Tages auszublenden, sitzt die Anspannung oft trotzdem noch im Körper. Wenn du nach einem anspruchsvollen Tag nicht so locker sitzen kannst wie sonst, ist das eine ganz normale biochemische Folge des Stresses. Dann kann Tipp 4 dir besonders gut helfen.
Die Anspannung des Tages kann sich in deiner Stimmung oder der Lockerheit deines Körpers niederschlagen. Oder in beidem.
Es ist aber nicht nur für dein Reiten nicht gut, wenn du deine Belastung mal aus dem Kopf bekommst, sondern auch für das Ergebnis deiner Arbeit (oder was dich sonst gerade beschäftigt). Wenn du dich wie ein Terrier an etwas festbeißt, fehlt dir mitunter die Draufsicht, um das Thema mit etwas Abstand zu betrachten. Der ist aber oft hilfreich, um neue Lösungsansätze zu entwickeln oder auch den Abstand zu gewinnen, um emotionale Konflikte wieder mit dem nötigen klaren Kopf zu betrachten.
Beim Reiten den Kopf frei bekommen – meine Tipps
Ich stelle dir hier 5 Strategien vor, um auch an Tagen, an denen permanent ein Gewitter über dir hängt, noch sonnige Reiterlebnisse zu haben.
- Atmung
Bevor du aus dem Auto steigst, atme 10 Mal tief und bewusst ein und aus – richtig bis in deinen Bauch hinein. Zugegeben, das ist kein neuer Tipp. Aber nichts hat so einen unmittelbar positiven Einfluss auf unser Wohlbefinden wie unsere Atmung. Stress führt immer dazu, dass wir flacher atmen und so auch körperlich unsere Anspannung weiter erzeugen, statt sie aufzulösen. Und besonders, wenn wir angespannt sind, nehmen wir uns viel zu wenig die Zeit, einmal durchzuatmen. Die Konzentration auf das Atmen (mit Zählen) hilft sehr beim Loslassen der Gedanken.
Grundsätzlich hilft Meditation, um insgesamt gelassener zu sein und nicht so anfällig für die Stresspeaks zu sein. Falls du dich mit diesem Thema mehr beschäftigen willst, gibt es eine Menge Unterstützung in Büchern, Videos und Apps. Mir persönlich hat die Serie “Headspace – eine Meditationsanleitung” bei Netflix auch sehr gut gefallen, um einen begleiteten Einstieg in die Mediationspraxis zu finden.
- Handy aus
Wenig holt ein Problem so schnell wieder in deinen Kopf, wie eine Whatsapp zu dem Thema. (Oder lenkt deine Gedanken einfach nur vom Pferd ab.) Deswegen mach dein Handy auf lautlos und lass es in der Tasche. So dass es nur für Notfälle in der Nähe ist!
- Deinen Themen einen Platz zuweisen
Hierbei hilft mir ein inneres Bild: Ich stelle mir eine Tasche vor, in die ich bewusst die Gedanken z.B. an den Konflikt packe. Dann mache ich in Gedanken die Tasche zu und sage, dass ich mich zu gegebener Zeit um sie kümmern werde.
Die Tasche platziere ich z.B. bei meinem Auto oder am Rand der Reitanlage. Immer wenn ein Gedanke wieder in meinem Kopf auftaucht, “schicke” ich ihn in die Tasche zurück.
Das braucht etwas Übung. Du wirst aber schnell merken, dass es immer besser klappt. Mit der Kontrolle über die Gedanken ist es wie mit der Muskulatur: Das, was du trainierst, verbessert sich!
Psychologisch steht dahinter, dass wir – unser Selbst – immer losgelöst von den Ereignissen um uns herum existiert. Weil wir uns aber mit ihnen identifizieren, fühlen wir uns schlecht, wenn etwas Negatives passiert und gut, wenn etwas Gutes passiert.
Fürs Reiten (und auch das sonstige Leben) ist es gut, wenn du die negativen Ereignisse “entmachtest”: Nimm ihnen die Macht, deinen ganz Tag zu verderben. Vor allem natürlich die Zeit bei deinem Pferd. Denn für dein Pferd möchtest du doch sicher die positivste Variante deiner Person sein!
- Pferd warm führen oder erst eine Runde um den Block gehen
Wenn du vor allem fühlst, dass dir dein Tag “in den Knochen sitzt” und du entsprechend fest bist, kann es schon helfen, dein Pferd warm zu führen: Eine kleine Runde um den Block oder zur Not auch 10 Minuten in der Halle kann hier gut helfen, um den Stress über die Bewegung abzubauen. Eine zusätzliche gute Möglichkeit, um Stress abzubauen und dich gleichzeitig aufzuwärmen, ist das Aufwärmprogramm für Reiter von Reitersitz-Expertin Sibylle Wiemer. Wie das funktioniert findest du bei wehorse, der Online Reitschule, in ihrem Kurs „Aufwärmübungen am Boden für einen geschmeidigen Sitz“. (Mit dem Code HORSEMINDSET2020 bekommst du bei Abschluss eines wehorse Jahreszugangs übrigens 60€ Rabatt und zahlst nur 9,90€ im Monat anstelle von 14,90€! Wähle einfach auf dieser Seite den Jahreszugang aus, registriere dich und gib dann im Bezahlvorgang den Code HORSEMINDSET2020 ein.)
- Bevor die Sicherungen durchbrennen: Einfach mal nicht reiten
Wenn du kein Meditationsmeister bist, wird es immer mal einen Tag geben, an dem du feststellst, dass es besser ist, nicht zu reiten oder ins Gelände zu gehen. Es geht ja immer auch darum, deinem Pferd eine schöne Zeit mit dir zu bescheren. Und wenn du dich dazu nicht imstande siehst, ist es fairer, nicht zu reiten oder etwas entspanntes anforderungsfreies mit deinem Pferd zu unternehmen.
Eine Anekdote aus meiner Jugend: An einem Stall, wo ich mit 14 mein Pferd stehen hatte, war ein Herr der guten alten Schule von damals gut 70 Jahren. Ich war damals ziemlich ehrgeizig und wenn ich frustriert war, weil ich keinen Lösungsansatz hatte leider nicht immer fair. Irgendwann lief es mal beim Reiten nicht so. Glücklicherweise habe ich die Kurve bekommen, bin abgestiegen und hab longiert. Der ältere Herr bekam das mit und schenkte mir zur Belohnung seinen alten Kappzaum, um mich in meinem jugendlichen Übermut in diesem Lösungsansatz zu bestärken.
Wenn ein schlechter Tag bei dir auf den Termin des Unterrichts fällt, erzähl das deinem Reitlehrer, dann kann er im Unterricht besser reagieren. Ich bin ich immer froh, wenn die Reiter mit mir teilen, wenn sie nicht gut drauf sind, weil ich den Unterricht dann anders angehe.
Es kann auch sinnvoll sein, deinen Reitlehrer Beritt machen zu lassen. Das ist auch immer ein guter Deal, zumal du von unten die Dinge nochmal anders siehst und dein Trainer in der nächsten Einheit dann vielleicht noch bessere Erklärungen für dich, weil er es selber angefühlt hat.
Übung macht den Meister
Natürlich wird es dir nicht immer gelingen, dich vollständig von den dunklen Wolken des Tages zu befreien. Wenn du dir aber bewusst bist, dass du gestresst nicht so gut reiten kannst und entsprechend die Latte deiner Erwartung an dein Training dann einfach etwas tiefer hängst, ist für dich und dein Pferd schon viel gewonnen! Lieber über etwas Einfaches gefreut, was dir und deinem Pferd gut gelungen ist, als dass du über etwas Schwieriges zusätzlich frustriert bist. Mehr dazu liest du in den Beiträgen Köpfchen statt Kilometer und Wie du auch in schwierigen Phasen schöne Momente entdeckst.
Mit freiem Kopf zu reiten (oder auch generell deine Freizeit zu verbringen) kannst du genauso trainieren, wie gute Schritt-Trab-Übergänge! Ich hoffe, für dich ist ein passender Ansatz dabei. Ich freue mich sehr über dein Feedback zu diesem Beitrag und wenn du ihn weiter teilst!
Mehr Infos zu mir als Ausbilderin findest du auf meiner Webseite www.kristina-janssen.com. Herzlichen Dank für die Fotos an Herzenshundfotografie!