Natürlich genießt du die Zeit mit deinem Pferd. Aber seien wir mal ganz ehrlich: An dein Hobby sind auch Wünsche und Erwartungen geknüpft. Du übst und trainierst (und investierst viel Zeit und Geld), weil du etwas Bestimmtes erreichen willst. Das muss gar nicht eine Turnierplatzierung sein: Die Wünsche der Pferdebesitzer sind so unterschiedlich, wie Menschen es eben sind. Die eine ist glücklich, wenn sie alleine ins Gelände kann, die nächste, wenn ihr Pferd den richtigen Galopp trifft. Und die übernächste, wenn die Trabtraversale flüssig gelingt. Gemeinsam ist all den unterschiedlichen Pferdemenschen nur der Wunsch, sich gemeinsam mit ihrem Pferd zu entwickeln.

Vielleicht hast du selbst schon mal erlebt, wie schnell einem eine Krankheit oder ein anderer Zwischenfall einem da einen Strich durch die Rechnung bzw. den schönen Plan, den du schon im Kopf hattest, machen kann. 

Es kann reichen, dass ein neues Pferd in die Herde gekommen ist und das eigene nun viel angespannter beim Reiten ist. Oder ein Bluterguss von einem Tritt, der eine Pause nötig macht. Wenn du wieder loslegst, braucht dein Pferd wieder ein bisschen, um zur alten Kraft zurückzukehren. (Das gilt natürlich auch, wenn du ausfällst und mit deinem Pferd wieder loslegst.)

Das Gegenteil gibt es natürlich auch: Dein Pferd versteht schnell, was du von ihm willst und bekommt es auch körperlich gut umgesetzt. Das Thema ist schnell abgehakt.

Manchmal ist es auch notwendig, dass du in der Ausbildung deines Pferdes einen ganz anderen Weg einschlagen musstest, als du dachtest.

In diesem Beitrag geht es darum, wieso Ziele bei der Pferdeausbildung so wichtig sind. Und wieso es mindestens genauso wichtig ist, dass du euer Glück nicht ausschließlich vom Erreichen dieser Ziele abhängig machst

In diesem Beitrag erfährst du:

  • Wie du sinnvolle Ziele für dein tägliches Training setzt
  • die 3 größten Gefahren von Zielen und wieso dich ein Umweg oft schneller ans Ziel bringt
  • meine 3 besten Tipps, wenn du in die Termindruck-Falle getappt bist
  • Wieso dein Pferd und du eine Bucketliste haben sollten

Ziele sind der rote Faden des täglichen Trainings

Ohne konkrete Ziele im täglichen Miteinander mit dem Pferd gäbe es keinen roten Faden.  Sie geben dem (Ausbildungs-)Weg des Pferdes und Reiters eine Richtung.  Die großen Ziele sind eher langfristig. Du kannst sie kleinschrittig in kurzfristige Ziele für die einzelnen Trainingseinheiten bzw. für kurzfristige Zeitabschnitte einteilen.

Beim Unterrichten ist es mir deswegen sehr wichtig, dass meine Schüler wissen, was sie wann wofür machen und wohin es führen soll und wie konkret die Schritte aussehen, die sie dahin führen.

Z.B. könnte dein großes Ziel lauten, dass du die Durchlässigkeit deines Pferdes insbesondere bei dem Reiten von Übergängen verbessern möchtest. Ein kleineres, kurzfristigeres könnte dann lauten, dass dein Pferd nach einem Übergang zum Schritt direkt flüssig weitergeht. 

Schritte, um dein kurzfristiges Ziel zu erreichen, könnten sein:

  • Im Übergang “Schritt beginnen” statt “durchparieren” zu denken. Bei dem ersten Gedanken geht die Energie nach vorn, bei dem zweiten bremst du innerlich und verstärkst somit das Abbremsen deines Pferdes
  • In jedem Übergang daran denken, genug nachzugeben
  • Du könntest auch üben, den Trab Abzufangen und dann im Arbeitstrab wieder rauszureiten (ohne zum Schritt durchzuparieren). Und zwar solange, bis dein Pferd beim Abfangen schon damit rechnet, wieder dynamisch loszutraben. Dann streust du ab und zu einen Übergang zum Schritt ein. Durch die Vorübung wird dein Pferd den Schritt aktiv beginnen

Je nachdem, wo das Problem ursächlich liegt, musst du schauen, welcher von den kleinen Schritten der für euch hilfreichste ist.

Lust auf einen Selbstversuch?

Kannst du bei den Themen, an denen du und dein Pferd gerade arbeiten, konkret benennen, was du da verbessern möchtest und wie du dahin kommst? Schreib die einzelnen Punkte ruhig mal auf. Wenn du merkst, dass es da noch Unsicherheiten gibt, kannst du deinen Trainer das nächste Mal ganz konkret danach fragen. Dann kannst du in deinem Training noch zielgerichteter vorgehen.

Genauso wichtig wie die eigentliche Zielerreichung ist es, das “Unterwegs sein” mit dem Pferd zu geniessen: Nicht erst zufrieden zu sein, wenn die Parade perfekt gelingt, sondern auch schon wahrnehmen, wie viel besser dein Pferd durch die Arbeit daran zuhört. Und wie viel besser deine Hilfenkoordination geworden ist. Damit du dich nicht erst so richtig freust, wenn dein Ziel erreicht ist. Das wäre schade um die ganze Zeit dazwischen.

Die Fachliteratur unterscheidet in diesem Zusammenhang übrigens zwischen Handlungszielen und Ergebniszielen: Handlungsziele sind meist kurzfristig ausgerichtet, beziehen sich auf deine Handlung und machen in der Regel weniger Druck, du kannst sie selbst gut sicherstellen, z.B. deine Fähigkeit, einen gefühlvollen Übergang zu reiten.  Ergebnisziele kannst du nicht sicherstellen, z.B. eine Platzierung in einer A-Dressur. Sie machen mental meist mehr Druck und sie eher langfristig angelegt.

Wenn Zielen zu schlechte-Laune-Machern werden

Ein zu großer Fokus aufs (falsche) Ziel, kann aber auch schnell zu Frustration führen. Nimmst du dir z.B. vor, eine Prüfung zu reiten kann das schnell zu Termindruck für das Erarbeiten von Lektionen führen. Schnell wird dann das Training verbissen und kann zum Frust auf beiden Seiten führen. 

Tipp: Mein erster wichtiger Reitlehrer hat immer gesagt, erst eine Prüfung zu nennen, wenn man auch eine Klasse höher starten könnte. Mit dieser Empfehlung bin ich immer ganz gut gefahren.

Termindruck ist also eine Medaille mit zwei Seiten: Wenn du z.B. weißt, dass du dein Pferd in 4 Wochen verladen willst, kann dir das helfen, rechtzeitig und regelmäßig mit dem Üben zu beginnen. Wenn du aber denkst, dass etwas da funktionieren MUSS, machst du dir und euch Druck. 

Tipp: Denke statt “XY muss dann und dann funktionieren, also muss ich das jetzt üben” den Gedanken: “Ich nehme mir jetzt Zeit, XY zu üben, damit es bestmöglich gelingt”. Der zweite Gedanke hat eine viel bessere Wirkung und damit auch auf dein Pferd. Denke beide Gedanken mal im Vergleich und beobachte, wie sich das anfühlt.

Ein zu großer Fokus auf ein bestimmtes Ziel kann dich auch weniger flexibel in dem Finden von Lösungsansätzen machen. Wenn dein z.B. Schwierigkeiten hat, auf einer Hand richtig anzugaloppieren, verschlechterst du die Situation, wenn du es immer wieder versuchst. Dein Pferd übt dann ja immer wieder das unerwünschte Bewegungsmuster. Stattdessen wäre es sinnvoll, die Vorbereitung zu verbessern und z.B. zuerst auf die korrekte Stellung auf der Hand und in den Schritt- Trab Übergängen zu achten. (Wenn du mehr zum Verbessern des Angaloppierens erfahren möchtest, lies gern diesen Beitrag.)

Tipp: Bleibe flexibel in deinen Lösungsansätzen. Bei der Pferdeausbildung führt ein Umweg oft schneller zum Ziel.

Und nicht selten lernst du auf dem Weg so viele neue und wichtige Dinge kennen, dass sich dadurch auch dein Ziel verändert.

Was Wandern und Reiten gemeinsam haben

Stell dir vor, du bist auf einer schönen Wanderung mit einem Freund. Du weißt nicht genau, was dich auf der Strecke erwartet, noch wie Outdoor-tauglich dein Freund ist. Wie du die Wanderung erlebst, hängt ganz massiv von deinem Mindset ab: 

Wenn du genau durchgeplant hast, wann du wo sein wirst, wird es dich nerven, dass dein Kumpel vielleicht nicht so fit ist wie du. Eine Wegsperrung bringt deinen Plan und Laune komplett durcheinander. Vielleicht kommt ihr am Ende pünktlich an, aber eure Freundschaft wird sicherlich belastet sein.

Wenn du aber stattdessen die Herausforderungen entspannt annimmst, Pausen machst, so wie ihr sie eben braucht und eine Portion Verständnis und Motivation für deinen Freund im Gepäck hast und nur eine ungefähre Vorstellung, wann ihr wo ankommen wollt, wird das für euch beide ein schönes Erlebnis. Wenn du mit der Uhrzeit entspannt bist, bringt dich auch eine Wegsperrung, durch die ihr einen Umweg nehmen müsst, nicht aus der Ruhe und du kannst die neuen Eindrücke durch die ungeplante Route geniessen. Wenn du dann noch ein bisschen Humor mit dabei hast, werdet ihr eine gute Zeit haben und wunderbare gemeinsame Erinnerungen erschaffen und – für uns Pferdemenschen ganz wichtig- am Ende des Weges besser befreundet sein als zu Beginn.

In diesem Sinne wünsche ich dir und deinem Pferd immer die richtigen Mischung aus motivierender Zielsetzung und der Flexibilität, deine Ziele und ihre Umsetzung auch immer wieder zu hinterfragen, wenn sie euch nicht glücklich machen!

Wie immer danke ich Marie von Herzenshundfotografie für die tollen Bilder!

Bucketliste für dich und dein Pferd 

Kennst du den Film: “Das Beste kommt zum Schluss” mit Morgan Freeman und Jack Nicholson? Kurz gesagt geht es darum, dass die beiden Männer todkrank sind und gemeinsam überlegen, was sie noch erleben wollen, bevor sie den Löffel abgeben. Diese Pläne setzen sie dann auch gemeinsam um.  Bezogen auf Reiten finde ich es sehr schön, sich auch mal so eine Liste anzulegen. Auch wenn die Dinge unrealistisch scheinen, ist es doch schön, wenn du dir bewusst machst, was du mit deinem Pferd in eurer gemeinsamen Zeit erleben möchtest. Das kann ein Ausritt am Strand sein, die Teilnahme an einer Aufführung, ein Wanderritt oder auch die Freiheitsdressur mit deinem Pferd … Einfach mal unbewertet aufschreiben, was dir dazu so einfällt. Auch wenn du hinterher gar nicht alles davon umsetzen möchtest, hast du dich und deine Reit-/Pferdesehnsüchte danach bestimmt viel besser kennengelernt. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass mir viele dieser Dinge dann passiert sind, wenn ich mich nur getraut habe, sie zu wünschen.