Angst beim Reiten ist immer noch ein Thema, das Reitern häufig unangenehm ist. Dabei ist sie viel verbreiteter als du denkst. Ich kenne fast keinen Reiter, der noch nie davon betroffen war. Angst an sich ist ja auch keine schlechte Emotion, sondern eine sehr vernünftige. Sie will dich beschützen. Nur wenn sie dich davon abhält, das zu tun, was du gerne möchtest, hat sie zu viel Mitspracherecht. Eine Freundin von mir erklärt das immer so: Wenn du dir das Leben vorstellst, wie eine Autofahrt, in der deine Emotionen neben dir im Wagen sitzen, kann die Angst gerne mit dabei sein, um aufzupassen, dass nichts passiert. Nur am Steuer sollte sie nicht sitzen. Sonst kommst du nie da an, wo du hinwillst.

In diesem Beitrag erfährst du

  • Wie du mit kleinschrittigem Vorgehen deine Angst überwindest
  • Wie du deine Gedanken bewusst so einsetzen kannst, um beste Ergebnisse zu haben
  • Wieso es ok ist, Angst zu haben 

Wie du mit kleinschrittigem Vorgehen die größten Hindernisse überwindest

Ich beobachte häufig, dass im Training von Reitern, die vor etwas Angst haben, direkt zu viel verlangt wird (von Pferden übrigens häufig auch.) Oft erwarten sie aber auch von sich selbst zu viel. Die Aufgabe scheint riesig, die dazugehörige Angst ist lähmend blockierend. Dabei ist es einfacher als gedacht, einen Weg durch die Angst zu deinem Wunschziel zu finden: Wenn die große Aufgabe in kleine Etappen zerteilt wird, erscheint sie plötzlich machbar.

Die Geschichte von dem kleinen Jungen, der Angst hatte, vom ein Meter Block am Randes des Schwimmbeckens zu springen, zeigt das sehr schön:

Der kleine Junge wollte nicht vom ein Meter Block springen. Daraufhin holte seine Schwimmlehrerin ein Schwimmbrett und legte es an den Rand des Beckens. Sie fragte den kleinen Jungen, ob er sich trauen würde, von dem Brett aus  in das Becken zu springen. „Klar“ antwortete er und sprang. Daraufhin legte sie ein zweites Brett darauf und fragte den Jungen erneut, ob er springen würde und er sprang. So ging es einige Runden, bis sie den Blick des Jungen auf den Springblock neben ihm lenkte. Mittlerweile war der Bretterstapel schon ein klein wenig höher als der Block.

Ein paar Beispiele, wie mit dieser Methode die Angst beim Reiten überwunden werden kann:

  1. Wenn eine Reiterin Angst hat, anzugaloppieren, reicht es, dass sie es versucht. Auch wenn das Pferd nur ein bisschen zügiger trabt. Dieses Versuchen wird automatisch dazu führen, dass irgendwann der innere Wunsch entsteht, wirklich anzugaloppieren und dann die Hilfe auch überzeugend gegeben wird. (Das geht natürlich nur, wenn das Pferd mit seinem Verhalten nicht die Ursache der Angst ist.)
  2. Wenn eine Reiterin Angst hat, an einer gruseligen Ecke vorbei zu reiten, lass sie nur da lang reiten, wo sie sich wohlfühlt. Und dann immer ein kleines bisschen dichter. So, wie es für sie und das Pferd in Ordnung ist.
  3. Wenn Reiter und Pferd sich im Trab festmachen, reiten sie erstmal viel Schritt, bis da alles richtig gut ist. Und dann traben sie nur kurz an, um direkt danach wieder schön Schritt zu reiten. Die Aufgabe heißt dann eher „Trotz Trab schön Schritt gehen.“ Dieses Fokussieren auf die gute Qualität des Schritts wird dazu führen, dass Pferd und Reiter im Trab automatisch besser werden und die Trabtour dann auch verlängern können.
  4. Alleine Ausreiten – du wirst erst geführt und entfernst dich nur kleine Stücke dann immer weiter vom Hof. Auch wenn du dir selbst ein bisschen komisch vorkommst, hilft es enorm, einen möglichst kleinschrittigen und sicheren Ablauf zu wählen. Dann entwickelst du nämlich schneller den Wunsch, einen Schritt weiter zu gehen. Hier z.B. nicht mehr geführt zu werden. Wenn das von dir ausgeht, steckt da eine ganz andere Energie hinter, als wenn du von außen zum nächsten Schritt gedrängt wirst.

Wichtig ist, dass dein Reitlehrer sieht, was du schon hinbekommen hast. Wenn du viel alleine reitest, kann es dir helfen, deine Fortschritte in einem Notizbuch zu notieren, um deine Erfolge bewusst wahrzunehmen.

Wenn du den Eindruck hast, dass dein Reitlehrer deine Angst nicht ernst nimmt, solltes du dich fragen, ob er/sie der richtige Wegbegleiter für diesen Ausbildungsabschnitt ist.

Mit dem richtigen Gefühl aufs Pferd steigen

Wenn du einen Reitunfall hattest und jetzt wieder aufs Pferd steigst (oder auch ohne Unfall mit Angst beim Reiten zu kämpfen hast) nutze ich gerne die folgende Übung: Stell dir bevor du aufsitzt vor, mit welchem Gefühl du gerne vom Pferd steigen möchtest. 

Neigt dein Pferd z.B. dazu, unter dir eilig zu werden, stell dir folgendes vor: „Du und dein Pferd hatten eine wunderbar entspannte Einheit. Die kleinen Ansätze von eilig werden konntest du gut abfangen und bist entspannt geblieben. Beim reiten hat sich ein Gefühl von Sicherheit breit gemacht.” Schließ die Augen, atme tief und gleichmäßig ein und aus und stell dir die gewünschte Szenerie so lange vor, bis du sie wirklich fühlst. Dann steig mit diesem Gefühl aufs Pferd. 

„Am Anfang schon das Ende im Sinn haben.“ 

Unser Gehirn neigt nämlich dazu, unsere Gedanken zu realisieren. Je nachdem, woran wir denken, werden die entsprechenden Muskeln schon angesprochen. Wenn du dir vorher in den schönsten Farben ausmalst, wie dein Reiterlebnis sein wird, stellst du also schon die Weichen dafür, dass es tatsächlich so wird.

Angst beim Reiten als Resultat fehlender Ausbildung

Häufig entsteht bei Reitern Angst, weil ihnen und ihren Pferden Aufgaben gestellt werden, für die sie noch nicht vorbereitet sind. Grundsätzlich ist Reiten natürlich ein gefährlicher Sport. Viele Gefahrenursachen können aber vermieden werden, wenn sinnvolle Ausbildungsschritte gewählt werden. 

Deswegen finde ich ein kleinschrittiges Vorgehen sinnvoll, damit Pferd und Reiter sich mit dem Fortschritt wohl und sicher fühlen. Wenn du z.B. das Gefühl hast, dein Pferd im Trab noch nicht richtig kontrollieren zu können, kann es kontraproduktiv sein, wenn du schon galoppieren musst, weil Galopp angeblich ja zu jeder Einheit dazugehört. Ich glaube, dass du viel schneller gut galoppierst, wenn du dich erstmal auf das Fundament, hier z.B. eine gute Trabarbeit konzentrierst.

Auch wenn du, wie auf meiner Zeichnung das Gefühl hast, ein bisschen von deinem Wunsch bzw. deinen Ziel zurücktreten zu müssen, um die erste Ausbildungsstufe der Treppe zu bauen, lohnt sich das! Die einzelnen Stufen bringen dich sicher und planbar zu deinem Ziel. Du stehst nicht mehr vor deiner Angst wie vor einer Wand, die dich von deinen Wünschen trennt.

Arbeit an der Hand als Gamechanger gegen Angst beim Reiten

Wenn du dich auf deinem Pferd hilflos fühlst, weil es deine Hilfen nicht versteht und du deswegen ein Gefühl von Kontrollverlust hast, kann Arbeit an der Hand eine großartige Hilfe für euch sein: Dabei läufst du neben deinem Pferd und kannst dich voll und ganz darauf konzentrieren, ihm die Zügelhilfen und die treibenden Hilfen zu erklären, ohne dass du gleichzeitig noch mit Sitz und Schenkeln auf dein Pferd einwirkst. Du verbesserst seine Nachgiebigkeit und erarbeitest Schritt für Schritt sein Verständnis von Paraden. Später beim Reiten wird es dir dann viel leichter fallen, dein Pferd durchzuparieren.

Im Prinzip lernt ihr beiden, besser miteinander zu sprechen. Damit es weniger Missverständnisse gibt, wenn du im Sattel sitzt, arbeitest du am Boden quasi schon mal vor. Außerdem gibt dir Handarbeit die Möglichkeit, dich ganz auf deine Hilfengebung zu konzentrieren. Wenn du unsicher bist oder Angst hast, ist dein Sitz und deine Hand im Sattel durch den Stress angespannt. Dadurch ist es für dich viel schwieriger, die richtige Dosierung der Hilfengebung zu erfühlen. Du vergisst zu atmen, gibst zu spät nach und kannst die Pferdebewegung nicht so gut mitvollziehen. Darauf reagiert dein Pferd natürlich ebenfalls mit Anspannung. 

Die Arbeit an der Hand kann da eine gute Möglichkeit sein, am Boden ein besseres Verständis über die Hilfen zu entwickeln. Wenn dein Pferd Vertrauen zum Zügel entwickelt und lernt, sich in Aufrichtung und Dehnung zu stellen und die Paraden gut anzunehmen, habt ihr eine ganz andere gemeinsame Basis, wenn du wieder auf seinen Rücken steigst: Ihr habt am Boden einen gemeinsame Sprache entwickelt, die du dann auch vom Sattel aus benutzen kann. Viele Missverständnisse zwischen euch lösen sich dann auf. Dann kannst du entspannter sitzen und dein Pferd entspannter laufen.

Wenn du die Arbeit an der Hand nutzen willst, um einen Ausweg aus der Angst beim Reiten zu finden, kann ich dir meinen Onlinekurs “Wundermittel Handarbeit” ans Herz legen. Dort zeige ich dir Schritt für Schritt, wie du mit der Arbeit an der Hand beginnst und worauf du achten solltest. Hier findest du mehr Infos dazu.

Wenn du mehr über mich als Ausbilderin wissen möchtest, findest du hier meine Seite. Und ein herzliches Dankeschön an Marie-Christin Zurbrüggen von Herzenshundfotografie für die Fotos!