Wenn du versuchst, dein Pferd seitwärts treten zu lassen, dann funktioniert es überhaupt gar nicht so locker leicht, wie du es dir vorgestellt hast. Dein Körper verkrampft sich und dein Pferd geht nicht seitwärts,  sondern biegt sich nur etwas mehr im Hals, vom Übertreten der Hinterbeine keine Spur? Dann ist dieser Blogartikel der richtige für dich. Ich erkläre dir ganz anschaulich, was du brauchst, um bei deinem Pferd einen Seitengang auszulösen und wie du dabei in deinem Körper locker bleiben kannst.

Das bietet dir dieser Beitrag:

  • Du lernst eine Übung kennen, mit der du deine seitwärtsweisenden Hilfen verbessern kannst: Das Übertreten auf dem Zirkel.
  • Du lernst Schritt für Schritt, wie sich die seitwärtweisende Hilfe zusammensetzt und wie du sie so einsetzt, dass dein Pferd auch versteht, was es tun soll.
  • Du lernst, wie du mit Hilfe der Vorhandwendung das Verständnis der seitwärtsweisenden Hilfen bei dir und deinem Pferd verbessern kannst.

In diesem Beitrag geht es nicht darum, wann du ein Schulterherein und wann ein Schenkelweichen reitest. (Mehr zu dem Unterschied weiter unten.) Vielmehr geht es um das Prinzip, dein Pferd leicht seitwärts treten zu lassen. Wenn du das verstanden hast, kannst du auch gezielt zwischen den beiden Seitengängen variieren, je nachdem, was für die Ausbildung deines Pferdes gerade das Richtige ist.  Wenn du dir nicht sicher bist, ob es für dich und dein Pferd schon das richtige ist, die Seitengänge mit dazu zu nehmen, lies gerne in diesem Beitrag nach.

Wenn du gerade beginnst, dein Pferd in den Seitengängen auszubilden (oder sie selbst gerade erlernst) bietet es sich an, dein Pferd auf einem Zirkel übertreten zu lassen.  

Wie sieht das Übertreten auf dem Zirkel aus?

Beim Übertreten auf dem Zirkel kommt die Vorhand deines Pferdes etwas herein, die Hinterhand deines Pferdes geht heraus. Du kannst dir das in etwa so vorstellen, wie die Pferdchen auf einem Karussell. Du als Reiterin bist der “Drehpunkt”, wo die Pferde im Karussel befestigt sind. Wenn der Seitengang beginnt, dreht sich das Pferd nach innen.

Diese Linie hat viele Vorteile:

  • Die Linie unterstützt dich dabei, die Hinterhand deines Pferdes übertreten zu lassen. Die Bewegung ist für dein Pferd ganz natürlich. Wenn du es beim Führen wendest, wird es hinten wahrscheinlich seitlich übertreten. 
  • Du kannst leicht zwischen unterschiedlich großen Abstellungen wählen. Indem du mal mehr und mal weniger seitliche Abstellung fragst, kannst du die Dosierung deiner seitwärtsweisenden Hilfen optimieren.
  • Dein Pferd ist im Hals gebogen. Die Bewegung gehört somit eher zur “Schulterherein-Familie” als zum Schenkelweichen. Allerdings wird die Hinterhand bei dieser Linie weniger gekräftigt und mehr mobilisiert.

Ganz wichtig ist, dass du dir beim Nutzen dieser Linie bewusst bist, dass diese Linie auch Nachteile hat.

  • Da die Hinterbeine bei der Linie auf dem größeren Kreis laufen, mobilisiert du die Hinterhand deines Pferdes. Hat dein Pferd Knieprobleme, sollte es vor allem stabilisiert werden. Das tust du am Besten beim Geradeausreiten, wenn es den Brustkorb schön angehoben hat und sich dabei raumgreifend bewegt. Seitengänge solltest du solange bis das Knie stabilisiert ist am besten auf gerader Linie und mit geringer seitlicher Abstellung nutzen. 
  • Da sich die Vorderbeine auf der kleineren Linie bewegen, trainieren sie das Öffnen (weites Auseinandernehmen der Vorderbeine) nicht so.

Das Übertreten auf dem Zirkel hat im Wesentlichen 3 Funktionen:

  1. Pferd und Reiter wird die seitwärtsweisende Hilfe erklärt. Die Linie vereinfacht es dem Pferd, sie zu verstehen.
  2. Dein Pferd wird auf die seitwärtsweisende Hilfe sensibilisiert. Du kannst auf der Linie mit der Abstellung spielen, in dem du es mal mehr und mal weniger seitwärts schickst. Das verfeinert euren Hilfendialog.
  3. Die Übung hat einen lösenden und mobilisierenden Effekt für dein Pferd

Heute geht es darum, dass du diese Linie für dich nutzen kannst, um dein Verständnis für die seitwärtsweisenden Hilfen zu verbessern.

Woraus besteht die seitwärtsweisende Hilfe?

Eine wichtiger Punkt, der vielen Reitern nicht bewusst ist, ist dass die Seitwärtsbewegung aus zwei Phasen besteht. 

Phase 1: 

Wenn das Pferd beginnt, seitwärts zu treten, muss seine Vorhand abbremsen und zur Seite nehmen, damit die Hinterhand seitwärts treten kann. Würde dein Pferd unverändert weiter vorwärts laufen, könnte es gar nicht in die Seitwärtsbewegung wechseln.

In dieser Phase unterstützt du es, indem du deinen Oberkörper mit in die Bewegung drehst. (Schau gerne nochmal in diesem Beitrag vorbei.)

Den äußeren Zügel kannst du etwas an den Hals anlegen, um das Abfangen des Pferdes und das Hineinführen der Vorhand des Pferdes zu unterstützen.

Durch das Mitwenden deines Oberkörpers gibt dein Becken eigentlich schon die richtige Hilfe. Ich habe die Erfahrung gemacht, das zuviel “sitz mehr nach innen oder außen” die Reiter eher fest macht, deswegen empfehle ich eher reinzufühlen, sich und sich ggf. filmen zu lassen.

Das Herausschwenken der Hinterhand wird durch den inneren Schenkel ausgelöst. Während der Sitz und er äußere Zügel das Pferd abfangen und die Vorhand hineinführen, sagt der innere Schenkel gleichzeitig “Jetzt die Hinterhand raus.”

Phase 2:

In der zweiten Phase muss es dann die Schulter weiterbewegen, damit es sich nicht “festkreiselt”. Hier nimmst du den äußeren Zügel wieder etwas weg vom Hals, damit es mit seinem äußeren Vorderbein in Richtung des Linienverlaufs treten kann. Nach dem Seitwärtsabfangen lässt du dein Pferd sich nun weiterbewegen. Ganz wichtig: entspann dein inneres Bein, damit dein Pferd am Nachgeben deines Beines erkennen kann, dass es sich richtig verhalten hat. Das mit den Hilfen zu viel Wollen und zu lange Dranbleiben ist einer der Hauptursachen, wieso es mit dem Übertreten nicht so gut klappt.

Dann kommt wieder Phase 1. Mit ein bisschen Übung gelingt der Übergang zwischen den beiden Phasen immer flüssiger. Dann tritt dein Pferd auch geschmeidig seitwärts.

Ist das dann Schulterherein oder Schenkelweichen?

Schulterherein und Schenkelweichen haben eine unterschiedliche gymnastische Zielsetzung. Beim Schenkelweichen ist das Pferd nur gestellt und kreuzt die Beine, es ist eher eine lösende Lektion. Beim Schulterherein ist es mehr gebogen, das innere Hinterbein tritt mehr unter und die Versammlungsfähigkeit kann entwickelt werden. Auf dem Zirkel ist das Training der Versammlungsfähigkeit geringer als auf der geraden Linie, weil die Hinterhand ja einen größen Radius beschreibt als die Vorhand. Oder deine Variation des Seitwärtstretens auf dem Zirkel dann eher in die Schulterherein- oder Schenkelwichfamilie gehört, entscheidet also, wie gerade du dein Pferd in sich beim Übertreten lässt. Zu diesem Zeitpunkt der Ausbildung finde ich es wichtiger, das Reiter und Pferd gemeinsam in den Seitwärts-Flow kommen, sich also mit Leichtigkeit gemeinsam seitwärts bewegen, als dass man ganz genau darauf beharrt, welcher Seitengang es nun werden soll. Hilfreich bei dem richtigen Maß an Stellung und Biegung für dein Pferd sind folgende zwei Faustregeln: 

  1. Je beweglicher dein Pferd ist, desto mehr versuche bei dieser Übung die Biegung zu begrenzen. Je unbeweglicher es ist, desto mehr Biegung des Halses kannst du zulassen.
  2. Wenn du dein Pferd nicht seitwärts bekommst oder es dir über die äußere Schulter wegläuft, versuche es mit weniger Biegung.

Das Ass im Ärmel: Die Vorhandwendung

Ich bin eigentlich kein Fan der Vorhandwendung, weil sie gymnastisch verhältnismäßig wenig Mehrwert bietet. Sie kann bei Reiter-Pferd-Paaren, denen es schwer fällt, das Übetreten einzuleiten aber ein echter Gamechanger sein. Bei der Vorhandwendung bewegt sich die Vorhand schließlich nicht vorwärts, sondern bleibt am Fleck. Der Reiter lernt in dieser Übung also die Vorhand maximal abzufangen. Dadurch kann die Schulterkontrolle und die Reaktion auf das innere Bein sehr verbessert werden. Und auch der Gedanke an die Vorhandwendung kann bei der Ausführung eines Seitengangs sehr hilfreich sein, wenn dein Pferd dir über die Schulter wegläuft.

So reitest du die Vorhandwendung

Bei dem Beispiel befindest du dich auf der linken Hand.

  1. Halte dein Pferd an. Am besten am Hufschlag, sodass es eine Begrenzung nach außen hat.
  2. Stelle es nach außen.
  3. Nimm die rechte Wade leicht verwahrend, die linke Wade bleibt am Gurt und  löst da die Seitwärtsbewegung aus.
  4. Frag erstmal nur jeden Tritt einzeln, entspann dich, deine Beine und lobe dein Pferd. Es ist überhaupt nicht entscheidend, wie viele Tritte ihr schafft. Wichtig ist nur, dass dein Pferd die richtige Antwort auf deine Hilfen gibt und du es dafür belohnst. Wenn du eine Vokabel neu lernst, ist es ja auch erstmal wichtig, dass du genau lernst, was sie bedeutet und wie man sie ausspricht, damit du sie dann mit Leichtigkeit in ein Gespräch integrieren kannst.

Tipp: Die Vorhandwendung wird von Dr. Britta Schöffmann in einem Online Kurs auf wehorse.com sehr anschaulich erklärt. Als wehorse Mitglied kannst du dir den Kurs (und noch viele, viele weitere) anschauen. Die Mitgliedschaft ist kostenpflichtig, allerdings bekommst du mit meinem wehorse Rabattcode HORSEMINDSET2020 60€ Rabatt auf eine wehorse Jahresmitgliedschaft. Hier kannst du dich zur kostenlosen Testphase anmelden.

Das Erlernen der Seitengänge bringt eine ganz neue Dimension in das Reiten und macht die ganze Hilfengebung nochmal komplexer (als wenn es das nicht eh schon wäre ;). Ich hoffe, dass ich dir mit diesem und auch den anderen Blogbeiträgen, die hierzu gehören, ein bisschen Orientierung geben konnte. Ich freue mich über dein Feedback, Fragen und Anmerkungen!

Wie immer danke ich der lieben Marie von Herzenshundfotografie für die Fotos!